Leben und Verwirklichung sind EINS

(Artikel in Connection 5-6/2013)

Erleuchtung? –Alles ist erleuchtet: Du bist erleuchtet, ich bin erleuchtet,
der stille Wald ist es.
Das was leuchtet ist Bewusstsein und zwar die Essenz in ihm und hinter
ihm.
Das was leuchtet, ist nicht der individuelle Ausdruck – es ist vielmehr
Jenes, das durchscheint. Erleuchtung bedeutet, dass die Grundlegung
von allem, was in Existenz ist, sichtbar ist, dass das Absolute präsent ist.
Die innere Einheit des Lebens, sat, das“ reine“ Sein ist der Widerschein
des Absoluten .
SEIN als Einheit von allem ist universelles Prinzip und als solches
gänzlich un-persönlich
Sein erscheint sogar dem individuellen Ausdruck zunächst als
entgegengesetzt, als die andere Seite.

Wo Andersartigkeit erlischt
In der Stille, die Samadhi-Qualität hat, erlischt diese Andersartigkeit,
erlischt die vermeintliche Dualität von Ich und Welt und Ich und
Ewigkeit. Im Gegenwärtigsein als meditierendes Köper-Ich verliert das
Bewusstsein in der Ausrichtung auf die Stille des Absoluten seine eigene
Bewusstseinsbewegung und sogar die Idee von sich selbst.
Bewusstsein, das lebendige Kraft ist ,und sich, auf sich selbst
ausgerichtet, in der Großen Stille versenkt, versinkt jenseits von Ich und
Welt, sogar jenseits des wahrnehmenden Subjekts, des Zeugen.
Bewusstsein stirbt sich selbst im Absoluten, und es gibt nichts mehr, das
wahrgenommen werden könnte und niemandenden mehr, der
wahrnehmen könnte.
Dieser »zustandslose Zustand« ist das Absolute.
Wenn der Meditierende da ist, sogar jenseits der Wahrnehmung des »Ich
bin«, ist Seinsvergessenheit. Auf dieser Ebene gibt es keine Erleuchtung
und keinen, der erleuchtet wäre.Im Samadhi zerfällt alles, was zu sein
scheint und die klare Einfachheit unseres innersten SEINS enthüllt sich .

Verharren in der Leere
Im Hinblick auf das Körper-Ich ist das Verharren in dieser
Bewusstseinsleere des reinen Seins allerdings eine »Singularität«, eine
Grenzwertsituation. Der Samadhizustand, in dem das Absolute absolut
ist ,ist für ein Körper-Ich auf Dauer nicht lebbar -irgendwann kehrt das
meditierende Bewusstsein aus der Seinsvergessenheit zurück und nimmt
„sein“ Leben wieder auf (so wie etwa bei Ramana ).

Und hier setzt Verwirklichung ein .
Wenn Bewusstsein zurückkommt aus den Tiefen des Seins und als das
Körper-Ich wieder auftaucht, steigt mit diesem das klare Wissen auf,
dass es „da „ war und dass es in seinem innersten Wesen „ Das „ist.
Was bleibt ,ist das Leuchten dieses Wissens : obgleich das Körper-Ich in
dieser bewusst-losen Leere nicht verharren kann, hat sich ihm sein
eigentlicher, unpersönlicher, existenzieller Kern enthüllt: die unmittelbare
Präsenz des Absoluten als permanent Seiendes ,als seine eigentliche, wahre Existenz .
Dies hat das im endlichen verankerte Ich schlagartig zur anderen
Seite,ins Unendliche katapultiert . Verwirklichung beginnt.

Ist Verwirklichung „Erleuchtung“ ?
»Verwirklichung« ist vielleicht, was eine mögliche Versprachlichung
unserer tiefsten Existenz angeht ,der zutreffendere Begriff, nicht
»Erleuchtung“.
Was verwirklicht werden kann ist folgendes :
Ein Leben zu leben,das das persönlich und zugleich überpersönlich ist .
Ein Leben zu leben, das um die unmittelbare Einheit von Leben und SEIN
weiss .
Ein Leben ,das die eigene persönliche Begrenzheit transzendiert ,ja sogar
die vielfältige Buntheit des Lebens in seiner Illusion durchschaut .
In dieser Bewusstseinshaltung wird das ICH BIN ,das einfache,
reduzierte ,namenlose SEIN ,zum alleinigen Filter des Erlebens .
Die Seinsqualität macht das Magische aus , das unserem Lebensfluss
unterliegt.Das Magische liegt im Sein .Leben ist nicht Widerspruch
,Verstückelung ,Kampf und Druck. Reines Sein ist die lichtvolle innere
Einheit des Lebens , seine innere versteckte Essenz , das, was alles
zusammenhält.
Verwirklichung verweist auf die Möglichkeit, den Quantensprung aus der
illusonären Idee eines individuell kontrollierbaren und persönlich
unabhängigen 3D-Lebens zu machen.
Wir springen in die Bewusstheit der lebendigen Kreativität einer
universellen Existenz, die unendliche ,transpersonale
Schöpfungsbewegung ist .
All das ist gänzlich un-persönlich und doch persönlich.
Das, was unserem System im Samadhi oder anderen
Erleuchtungserfahrungen spontan geschenkt wird, nämlich im Zustand
der Gnade in die Tiefe des eigenen Wesens zu fallen, und so die
Relativität des gesamten Körper-Geist-Systems zu erkennen – bedeutet
für das erfahrungshungrige Ich das Ende vom Anfang.

Hinter seinem Rücken beginnt die innere Einheit, der »innere Guru«,
nach und nach und auf ziemlich kreative Weise die einzelnen
Identifikationen und Konzepte der bisherigen Ich-Identität zu ent-leeren.

Unmittelbar gelebtes Wissen
Es ist also kein Ichwille nötig , der sich verwirklichen oder erleuchten
will, vielmehr geschieht die Auflösung der Ich-Struktur und die
Transformation seiner definierten Körperhüllen beständig und aus sich
selbst heraus:
Durch die Fähigkeit des gesamten Körper-Geist-Systems, sich durch
Meditation mehr und mehr in der Stille zu gründen , nimmt die
Transparenz oder Filterlosigkeit im Körpersystem zum Absoluten hin zu
und öffnet sich so zur Verwirklichung .
Verwirklichung ist kein mentaler Prozess – es ist gefühltes unmittelbar
gelebtes, eindeutiges, klares Wissen um das, was wirklich ist.
Und die Erfahrung seiner allgegenwärtigen Wirksamkeit.
Dieses Wissen hallt im gesamten Körper-Geistsystem wieder und
transzendiert seine oft widersprüchliche Komplexität schließlich zur
machtvollen Präsenz einer einheitlichen Kraft, die in uns und in unserem
Leben wirkt.

Sterben
Obwohl nicht ausgelöst durch das Ichbewusstsein – das Ich kann es
nicht tun und auch nicht intellektuell verstehen– bedeutet Verwirklichung
in gewisser Weise jahrelange Arbeit für das Körper-Ich. Die
körperbezogene Ich-Struktur stirbt sich selbst in der zunehmenden
Ausrichtung auf die abstrakte Leere und Einfachheit des Seins: Das Ich
muss loslassen und zusehen, wie sich Aspekte der Vergangenheit klären
und Ereignisse und Identifikationen mit der Welt zerfallen. Es muss
letztendlich alle Bezugssysteme, alle Resonanzen freigeben (die Familie,
die Lebensgeschichte, die aktuellen Beziehungen, die vorgeburtlichen
Prägungen,die Idee einer linearen Zeit).
D.h , es erfährt das Sterben der Ich-Identität und deren Grundlage,
nämlich die Idee, ein Individuum zu sein.
All dies wird möglich durch klare Ausrichtung und die Verankerung im
Wissen, was wirklich und wahr ist, durch die Ausrichtung auf das Still-
Sein.

Sich Einrichten im Paradoxalen und Einfachen
Verwirklichung bedeutet das Ja zu vielerlei Prozessen der Auflösung und
Erlösung : Programmierungen der feinstofflichen Bewusstseinsebenen,
aber auch der physischen Erinnerungsspeicher (Stammhirn, Hirnrinde,
Bauchfell, Darm, Haut ...) verändern sich .
Energetisches Fließen in unseren Körperhüllen aber auch
Erschöpfungszustände verweisen auf die zunehmende Entstofflichung
unserer Körper beim Hinübergleiten der Bewusstseinsfilter vom
definierten individuellen Zentrum in ein nicht definiertes, universelles
Sein, das viele Zentren des kreativen Bewusstseins und der Bewusstheit
gleichzeitig halten kann . Es ist in allem primär als Gegenwärtigsein als
reines SEIN präsent.
Verwirklichung verändert den Filter , den Brechungswinkel des
Bewusstseins.Es kennt viele Perspektiven gleichzeitig ,und es richtet sich
im Paradoxalen ein :
Das Ich und seine Welt existiert im Wissen ,das es unendlich und
gleichzeitig nur ein zeitlich begrenztes Phänomen ist, dass es in seiner
ganzen Wahrnehmung und seinen Handlungspotentialen abhängig ist von
Klängen ,die ihm vom universellen Grossen Lebens zugeteilt werden.Und
dass gerade deshalb unbegrenzte Fülle und individuelle Ent-grenzung
möglich werden.

Gelebte Ent-grenzung und die Kostbarkeit am Leben zu sein
Im wissenden „Ja“ zur inneren Leere aller Formen und in der
existentiellen Verankerung in der stillen Weite des Seins , der wir in der
Meditation begegnen ,findet das Ich seinen wahren begrenzt-
unbegrenzten Ausdruck .
Dank seiner identifikationslosen eigenen Leere und Unbestimmtheit
beginnt das Ich alles gleichermassen zu lieben, im Einklang zu
schwingen mit dem universellen Leben - alle Verschiedenheit ebnet sich
ein ,alles ist gleich gut.
Das Ich kostet die stille Exstase eins zu sein in Allem und die stille Süße
am/als Leben zu sein.

Erleuchtung? Besser Verwirklichung.
Verwirklichung dessen, was wir sind – und, ja, das geschieht ganz
selbverständlich in unserem System, wenn das Große Leben sich dazu
entscheidet- hinter unserem Rücken ...
und ja – es erscheint als faszinierender ,schmerz- und freudvoller,
anstrengender und ekstatischer Prozess der Ent-grenzung und
Transzendierung der traumgebundenen 3D, unserer „Welt“,
und ja – Verwirklichung ist eine von unzähligen Varianten der
universellen Schöpfung – eine der unzähligen Möglichkeiten, die das
Große Leben bereit hält.

Verwirklichung ist nichts Besonderes innerhalb der Vielfalt der Formen –
Sie ist gänzlich unpersönlich persönlich und so selbstverständlich da wie
alle anderen Formen des Grossen Lebens auch.
Und ja –
Verwirklichung ist Gnade
-ein an Verwirklichung ausgerichtetes Leben bringt alles zum Leuchten,
was es berührt...